News Mai 2018

20 Jahre „Mit Pferden sein…“

ich war noch ein Teenager, als ich mir mein erstes Pferd vom Schmerzensgeld kaufte, dass ich nach einem schweren Verkehrsunfall von der Versicherung erhielt. Mona, so hieß die Stute, war vorher mein Pflegepferd und als meine Freundin, der sie gehörte, sie nicht mehr wollte, sollte sie auf Wunsch ihres Vaters als Therapiepferd weggegeben werden. Um ihr das zu ersparen fragte mich meine Freundin, ob ich sie kaufen wolle. Ich war noch Schülerin und meine Eltern entsetzt, als ich Mona übernahm.
Diese kleine Vollblutmixstute war also mein erstes, eigenes Pferd und sie musste einiges aushalten, denn aus heutiger Sicht beging ich die üblichen Fehler, die man in der Reiterwelt auch heute noch macht. Doch irgendwie fing sie an, mit mir zu kommunizieren. Ich bemerkte das, doch verstand so vieles nicht, was sie mir mitteilen wollte. Ich brauchte erst etliche Schlüsselerlebnisse, nicht nur mit Pferden, die mich auf meinen heutigen Weg führten.
An eine Begebenheit erinnere ich mich besonders. Mona fummelte sich von ihren Anbindestrick los, rannte absichtlich fort und wälzte sich mit ihrem Sattel im Matsch. Ich war sehr wütend darüber, verfolgte sie und wollte ihr am liebsten dafür eine überziehen. Ja, ein Pferd für vermeintlichen Ungehorsam zu bestrafen ist bis heute für die meisten Menschen auf der Welt immer noch selbstverständlich. Ich war sonst keine, die ihr Pferd schlug, aber in diesem Moment hätte ich es aus Wut und Frust über den ruinierten Sattel getan. Doch sie entzog sich mir, indem sie über einen wirklich hohen Zaun sprang. Ich blieb geschockt stehen und in diesen Moment drehte sie sich um und sah mir direkt in die Augen. Ihr Blick war so wissend, schien mir etwas zu sagen und berührte mich im tiefsten Innern, so dass ich mich schämte. Augenblicklich ließ ich meine Hand mit der Gerte darin fallen. Sie kam sofort zu mir, ich öffnete das Tor und sie folgte mir ganz frei bis zum Anbindeplatz. Das war etwas Unglaubliches. Sie hatte mir ohne Worte eine Lektion erteilt, mir etwas ganz bewusst „gesagt“ als sie mir in die Augen schaute, damit ich endlich etwas verstand. Ja, das ist lange her und ich denke immer wieder an diesen Zwischenfall zurück. Er öffnete mich für das Wesen der Pferde, für ihre Seele, ihr Sein. Mona brachte mich dazu, auf die Suche zu gehen. Ich suchte nach dem fehlenden Schlüssel der Verständigung für unser Beisammensein. Durch Zufall“ stieß ich in einen Zeitungsartikel auf den damals für mich richtigen Lehrmeister und verbrachte dort einige intensive Jahre. Später entwickelte ich mit Dan zusammen „Mit Pferden sein…“, obwohl ich eigentlich nie beruflich etwas mit Pferden machen wollte.

Mona ist schon lange tot, sie starb im Jahr 2000 in meinen Armen, sie wurde 30 Jahre alt. Ich denke oft an sie, an ihre innere Größe und wo ich das hier so schreibe, merke ich, dass mir die Tränen laufen, denn sie war doch etwas Besonderes. Mona zeigte mir als Erste, dass Pferde lieben können und verzeihen, dass sie fühlen wie wir, dass sie nachdenken und kommunizieren. Lange bevor Spiegelneuronen im Gehirn von Pferden entdeckt wurden. Erst die letzten 7 Jahre ihres Lebens habe ich das begriffen, obwohl sie es mir immer wieder und wieder gezeigt hat. Mona war einmalig, so wie jedes Lebewesen, jede Pflanze, die wenn sie sterben, unwiederbringlich verschwinden- wir sollten sie achten zu Lebzeiten und ihre und auch unsere Lebenszeit nicht achtlos verschwenden – der Titel meines letzten Buches ist aus dieser Eingebung heraus entstanden.

Mit Pferden sein….ist eben keine Methode und durch die Verfeinerung unserer Wahrnehmung und Rückbesinnung auf natürliche, körpersprachliche und mentale Fähigkeiten eröffnen sich unerwartete Entwicklungsmöglichkeiten. Es wird eine ganz andere Ebene angesprochen, die zu einer außergewöhnlichen Verbindung zum unserem Pferd führen kann.
Doch aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass die Methoden sich besser durchgesetzt haben. Viele wollen oder können nichts ändern, denn es ist schwer, so frei zu sein, keinen vorgegebenen Rahmen zu haben, den man folgen kann, sondern immer wieder zu reflektieren, ob es richtig ist, was man wahrnimmt und tut oder ob man sich etwas zurecht interpretiert und sich das dann aber auch ehrlich eingestehen kann.
Es fällt den meisten schwer, sich zu verabschieden von messbaren Ergebnissen, von Perfektionismus und lieber einmal etwas auszuprobieren und statt Erwartungen nur eine Idee zu haben, die jederzeit verworfen werden kann, wenn sich herausstellt, dass es keine gute war.
Mit Pferden sein .. ist ganzheitlich, man kann es nicht „mischen“, weil es keine Technik und keine Methode ist, man nimmt wahr oder nicht, und das Sein ist unteilbar.
Nach 20 Jahren bin ich nachdenklich geworden, denn kann so etwas wie Mit Pferden sein.. auf Dauer Bestand haben? Oder werden die Methodiker siegen, die es reduzieren auf einen Plan, wie alles zu „sein“ hat? Die sich auf das Aussen stürzen, weil es vom Blick auf die eigene Innerlichkeit ablenkt? Die werten und bewerten, perfekt sein wollen und nicht merken, dass sie immer noch in ihren alten Mustern gefangen sind von Leistung, Anerkennung oder Konkurrenz?! Die nicht akzeptieren und wahrhaben wollen, dass ihr Pferd vllt genau das braucht, was eben nicht in den eigenen „Plan“ oder zu den eigenen Vorstellungen „passt. Die „helfen“ wollen, egal ob es angebracht ist oder nicht, weil sie ein gutes Gefühl dabei haben und das mit echter Zuwendung verwechseln?
Doch ich hoffe, die Pferde werden versuchen, es ihnen mitzuteilen: „schau mit lieber in die Augen, dann weißt Du, wer Du bist…dann weißt Du wer ich bin..“ so wie Mona das damals bei mir getan hat.

In diesem Sinne Sabine

PS Wir danken allen, es sind zu viele, um sie hier aufzählen zu können, den Mitarbeitern, Übersetzern, Hofhelfern, Organisatoren, Praktikanten, Kursteilnehmern, langjährigen Freunden und unseren Eltern und Brüdern, die es ermöglichst haben, dass Mit Pferden sein… auch in schweren Zeiten bestehen konnte-

Das erste Buch -auf dem Cover: von links  Leila,Mira und Mona